Im Gleichschritt zur EM nach Berlin

Das hatte den beiden jungen Geherinnen Saskia Feige und Teresa Zurek kaum keiner zugetraut. Nun erfüllten sie die Norm für die Europameisterschaft in Berlin.

MAZ – Teresa Zurek kommt flotten Schrittes angehetzt zum Interviewtermin vor der Mensa der Sportschule im Luftschiffhafen. Für eine Geherin ist das ja kein Problem, aber sie hat gerade anstrengende Tests im Schwimmbecken hinter sich. „Für meine Abi-Prüfungen“, sagt sie. „Aber die Beine spüre ich noch.“

Denn drei Tage zuvor schaffte sie mit ihrer Trainingspartnerin und Mitschülerin Saskia Feige vom SC Potsdam bei den Deutschen Meisterschaften in Naumburg im 20 Kilometer Gehen einen wahren Husarenritt. Mit 1:33:23 (Feige) als Zweite und 1:33:30 Stunden (Zurek) als Dritte erfüllten sie sensationell die Norm für die Leichtathletik-Europameisterschaften im August in Berlin. Teresa Zurek erreichte den Richtwert auf die Sekunde genau. Beide konnten es hinterher kaum fassen, erst Zuschauer hatten sie darauf aufmerksam gemacht und riefen wie im Fußball, wenn es um das Erreichen das Pokalfinals geht: „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin!“. Die 19-jährige Teresa Zurek sagt: „Ich habe immer wieder auf die Zeit geschaut und auf dem letzten Kilometer schon gerechnet, ob ich das noch schaffe.“ Die ein Jahr ältere Saskia Feige ergänzt: „Ich weiß bis heute nicht, woher das kommt, dass ich auf der zweiten Hälfte noch mal so schnell gehen konnte.“ Hinterher lagen sich beide glücklich in den Armen.

Noch mal um rund zwei Minuten gesteigert

Ihr Steigerungslauf in den letzten Wochen ist frappierend. Erst eine Woche zuvor hatten sie in Podebrady/Tschechien mit 1:35:25 (Feige) beziehungsweise 1:35:59 Stunden (Zurek) neue Bestzeiten aufgestellt – nun ging es noch mal rund zwei Minuten schneller. „Eigentlich hatten wir uns für Podebrady vorgenommen, um die Norm zu kämpfen. Aber da reichte es nicht. In Naumburg sind wir lockerer in den Wettkampf gegangen, wollten die Bestzeiten bestätigen“, schildert Saskia Feige. „Was geht, das geht“, nennt Teresa Zurek das für eine Geherin naheliegende Motto.

Die beiden Schützlinge von Trainerin Manja Berger hatten ursprünglich das Ziel, sich mit 1:34:30 Stunden wenigstens für die Team-Weltmeisterschaft in drei Wochen in Taicang/China zu qualifizieren. Dort werden sie nun gemeinsam mit der Meisterin von Naumburg, Emilia Lehmeyer (Berlin/1:32:49), Deutschland vertreten – wie bei der Heim-EM.

Seit sechs Jahren keine Geherin mehr bei EM, WM oder Olympia

„Also Berlin hatte ich vor der Saison wirklich nicht so richtig auf dem Schirm“, gesteht Saskia Feige, die erst im Herbst 2015 zum Gehen wechselte. Aber als sie als Sechstklässlerin die Aufnahmeprüfung für die Sportschule absolvierte, gab sie als sportliches Ziel an, dass sie mal bei internationalen Wettkämpfen wie Europa- und Weltmeisterschaften oder gar Olympischen Spielen starten möchte. „Die Leichtathletik-Wettkämpfe habe ich immer mit großer Begeisterung im Fernsehen angeschaut“, sagt die 1,67 Meter große und 52 Kilo leichte Sportlerin, die durch eine Freundin in der 2. Klasse zur Leichtathletik kam.

Beide nehmen eine Potsdamer Tradition wieder auf. Denn Melanie Seeger und Sabine Krantz waren bei Olympia 2012 die letzten Geherinnen, die für Deutschland bei EM, WM oder Olympia am Start waren. Damals haben die Ex-Läuferinnen Saskia Feige und Teresa Zurek noch nicht daran gedacht, dass sie einmal Geherinnen werden würden. Neben der EM haben sie noch ein weiteres großes Ziel: das Abitur. Am Dienstag gab’s den Abi-Streich zum letzten Schultag. Feige wird in Mathe und Psychologie geprüft, Zurek in Sport und Deutsch. Bis dahin sind ihre Beine wieder locker.

Von Peter Stein
Foto: Philipp Pohle

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