Märkische Allgemeine Zeitung: Brandenburger Sportler fürchten Benachteiligung

Die bundesweit einmalige Altersbegrenzung für Kontaktsportarten in der Corona-Zeit sorgt für Ärger – Im Landeskabinett wollen einige daran festhalten

Von Tobias Gutsche, 11.08.2020

Potsdam. Wenn das Brandenburger Kabinett heute über eine neue Fassung der Corona-Umgangsverordnung debattiert, werden auch viele Sportverbände, -vereine und Athleten gespannt auf die Ergebnisse warten. In den bis 16. August geltenden aktuellen Bestimmungen sind für Freiluftsportarten keine Einschränkungen mehr verankert. Hallensportarten können hingegen nur für Personen bis 27 Jahre normal praktiziert werden – alle anderen dürfen bloß kontaktfrei unter dem Dach sporteln. Eine Regelung, die bereits seit ihrer Einführung zum Beispiel beim Landessportbund Brandenburg (LSB) für Unmut sorgt.

Und der Frust könnte noch größer werden. Nach MAZ-Informationen regt sich in Regierungskreisen seitens des Justizministeriums (CDU) und Gesundheitsministeriums (Bündnis 90/Die Grünen) Widerstand gegen eine Streichung dieser Klausel – sie solle in der neuen Fassung beibehalten werden. Das Justizministerium habe demnach Sorge, dass durch die Aufhebung andere Corona-Gesetze rechtlich anfechtbar werden könnten. Eine MAZ-Anfrage blieb von der Landesregierung unbeantwortet.

„Wir können nur an die Politik appellieren, zeitnah eine Gleichberechtigung herzustellen“, sagt LSB-Geschäftsführer Andreas Gerlach. „Eine Gleichberechtigung im doppelten Sinne.“ Zum einen dürfe keine Trennlinie mehr durch das eigene Land gezogen werden, zudem seien alle anderen Bundesländer längst einen Schritt weiter, so Gerlach. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen, Hessen und Baden-Württemberg ist jeglicher Kontaktsport uneingeschränkt erlaubt, die weiteren Länder machen es ebenfalls allen Personen, wenn auch beispielsweise mit Personenbegrenzungen, möglich.

Berufssportler, Kaderathleten und Bundesligateams sind in der Mark von der U 27-Regel befreit. Aber die vielen Indoor-Mannschaften im Landes- und Kreis-Wettkampfbetrieb sowie die Teams aus überregionalen Ligen müssten theoretisch auf ihre älteren Aktiven verzichten. Auch Einzelsportler werden durch den Passus in ihrer Entwicklung gehemmt. „Brandenburg darf mit einem Sonderweg keinen Wettbewerbsnachteil riskieren“, sagt Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Wie sein Amtskollege René Wilke (Linke) aus Frankfurt (Oder) setzt er sich für die Aufhebung der Beschränkung ein. „Weil eine Fortschreibung der Regel im Vergleich zu den restlichen Bundesländern nicht nachvollziehbar wäre“, meint Schubert. „Brandenburg hat verhältnismäßig keine höheren Infektionszahlen. Die allgemeine Lage rechtfertigt das also nicht.“

Die bundesweit einmalige Altersgrenze im Brandenburger Sport galt zunächst auch für Outdoor-Sportarten wie Fußball, wurde nach heftiger Kritik jedoch wenige Tage später gestrichen. Die Regierung begründet die Altersregel damit, dass die Vereinsangebote Jugendarbeit im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) seien, für die keine Abstandsregelung gilt. Jugendarbeit erfasst Personen bis zum 27. Lebensjahr. Laut der aktuellsten Statistik hat der LSB insgesamt rund 355 000 Mitglieder, etwa 60 Prozent sind über 27 Jahre alt.

„Diejenigen davon, die Hallen-Kontaktsport betreiben, können diesen seit fünf Monaten nicht richtig ausüben“, sagt Jan Schröder, Präsident des Brandenburgischen Judo-Verbands (BJV). „Bisher stehen die Mitglieder zu ihren Vereinen, zeigen Solidarität und Verständnis. Aber jetzt langsam ist eine Welle von sozialem Unfrieden zu spüren.“ Es rumore. Die Leute würden sich fragen, „warum sie fleißig Beitrag zahlen sollen, wenn die Gegenleistung nicht die eigentliche ist“, sagt Schröder. Dies würde sich verstärken, sollte die Brandenburger Regierung ihren Kurs weiterfahren. „Dann gebe es kein Verständnis mehr, denn andere Bundesländer zeigen vor, dass es geht.“ Nachweislich seien Reiserückkehrer oder Partygäste ein Infektionsproblem. „Der Sport nicht“, meint der Judopräsident.

Ungewissheit herrscht wegen der Hallensporteinschränkungen in Brandenburg für den Ligabetrieb. So hätten sich die Verantwortlichen der Basketball-Regionalliga bereits beim märkischen Verband (BBV) erkundigt, inwiefern dieser Mannschaften für die geplante Saison 2020/21 melden könne, berichtet Steffen Maerten, BBV-Ressortleiter für die Spielorganisation. „Wir mussten sie vertrösten, warten jetzt die neue Verordnung ab“, sagt Maerten. Sollte bei den Corona-Lockerungen weiterhin die Bremse gedrückt werden, „wären einige Teams in ihrer Wettkampffähigkeit eingeschränkt“, urteilt er.

Ende September soll wieder im märkischen Handball um Punkte gekämpft werden. „Unser Wunsch ist sehr groß, dass die Altersgrenze fällt“, sagt Jens Herrmann, Präsident des Handball-Verbands Brandenburg (HVB). „Aber letztlich müssen sich alle Vereine daran halten, was die Politik vorschreibt.“

„Auch wir, als SC Potsdam e.V. müssen uns an die politischen Vorgaben halten, empfinden es jedoch ebenfalls als sehr bedauerlich, dass der Breitensport, der innerhalb des Vereins im Bereich Volleyball, Basketball etc. in großer Anzahl an Sportgruppen über mehrere Jahre aufgebaut wurde, derzeit keine Berechtigung findet, aufgrund der Alters-Einschränkung „bis 27 Jahre alt“. Der Wunsch, dass diese Altersgrenze fällt, ist sehr groß! Der Wunsch, dass das Land Brandenburg nachzieht  und zeitnah eine neue Verordnung veröffentlicht, ist genauso groß. Wir hoffen, dass auch der Hallensport von Kontaktsportarten für über 27-Jährige Sportler zeitnah seine Berechtigung wiedererlangt. Alles Andere wäre das Gegenteil von „Gleichberechtigung im Sport“, wo doch gerade der Gleichberechtigung im Sport als Wettbewerbsgrundlage eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird!“ (Statement: SC Potsdam e.V.)

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