Rotkappen in Brandenburg

 Das „Rotkäppchenland“ liegt bekanntlich in Nordhessen, der Heimat der Brüder Grimm. Aber mit der pandemiebedingten Schließung der Sportstätten wurden Rotkappen auch im Brandenburgischen gesichtet, so erstmalig im April 2020 in der Havel nahe des Luftschiffhafens. 

Nein, es ist nicht die Rede von Speisepilzen aus der Familie der Dickröhrlinge. Es sind die athletischen Freiwasserschwimmer der Sektion Schwimmen des SC Potsdam, die mit ihren roten Badekappen im Wasser nicht zu übersehen sind. Fröhliche Mädchen und Jungs, Beginners und Profis: sie alle wollen weiter trainieren, solange die Schwimmhallen geschlossen und die Gewässer nicht zugefroren sind. Möglich macht dies das schier grenzenlose Engagement des Ehepaars Simone und Jan Rosendahl samt Trainerstaffel des Schwimmvereins. 

Während viele den Kopf in den vermaledeiten Pandemiesand stecken, dreht der Schwimmverein des SC Potsdam so richtig auf: zum einen die Verstärker beim abwechslungsreichen Online-Sportangebot und zum anderen bei der Vielzahl der Ideen, wie die Mitglieder aller Altersgruppen der Schwimmsektion unter Einhaltung der Pandemieregeln Sport treiben können. 

Als Erstes etabliert Jan Rosendahl ein Buchungsportal, welches auch Digital-Nichtaffine sofort beherrschen können. Mit viel Kreativität und einem enorm ausgetüftelten Timetable werden Trainingseinheiten getrennt nach Alters- und Leistungsgruppen mit unterschiedlichen Angeboten geschaltet. Die Mitglieder des Schwimmvereins können so ihre Teilnahme am Training perfekt planen. Bis zu fünf Angebote pro Woche stehen den Mitgliedern zur Teilnahme offen, und das alles zum gleichen Vereinstarif ohne Kostenaufschlag. 

Während andere sich die müden Waden nach der Trainingseinheit reiben, plant Jan weiter. Er kauft Schwimsuits aus seiner privaten Kasse, denn nicht jeder besitzt mit Beginn der Pandemie einen eigenen „Neo“ (Neoprenanzug), wie Wissende dazu sagen. Die Neos verleiht Jan und somit kann jeder zur schwimmenden Rotkappe in der Havel oder im Plessower See werden. 

Bei den ersten Wassergängen müssen viele noch üben, wie man geschickt und schnell in den hautengen Neo schlüpft. Man könnte fast vermuten, dass auch dieses Zeitfenster genau geplant ist, denn die Trainerstaffel pumpt zeitgleich das SUP-Board auf. Das ist notwendig, weil die Rotkappen da draußen nicht ohne Trainerteam und Trainingsequipment schwimmen. Der Freiwasserschwimmlaie lernt noch mehr dazu: man trägt „Doppelbadekappe“ und geht nur mit Sicherheitsboje ins Wasser. 

Trotzdem viel zu kalt, denken einige, aber kein Problem: für ihre Schwimmkids und Jugendlichen bieten Simone, Jan und das Trainerteam neben dem Freiwasserschwimmen auch Bouldern, Kanufahren, Lauftraining, Radfahren, Skaten und Athletiktraining an. Zahlreiche Online-Sportangebote kommen hinzu und dies an 5-6 Tagen pro Woche. 

Es ist wieder April, nun im Jahr 2021, und die Wellen schlagen hoch. Das brechen der dritten Pandemiewelle heißt nicht, auf die Havelwelle zu verzichten. Aus vielen Blu-Schwimm-Kids sind inzwischen kleine „Fast“-Triathleten geworden, die die Regeln der Eindämmungsverordnung einhalten und trotzdem -angeleitet von dem großartigen Vereinstrainerteam- zusammen und dennoch vorschriftmäßig mit Abstand Sport treiben. 

Der SC Potsdam schlägt hohe Wellen und bricht damit die dritte; kein Widerspruch! 

Text/Fotos: S. Kroschewski, Potsdam 

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