Fleischhauer im Interview: „Ich mache jetzt das, wofür ich körperlich am besten geeignet bin“

„Je oller, je doller“ heißt es in einer deutschen Redewendung. Auf Georg Fleischhauer trifft das allemal zu. Denn erst mit 34 Jahren sorgte er für den größten sportlichen Erfolg seiner Karriere: Als Anschieber von Pilot Johannes Lochner wurde er Weltmeister im Zweierbob. Zuvor reichte es über die 400 Meter Hürden immerhin zu zwei Deutschen Meistertiteln (2010, 2012). Doch das ist lange her. Und obwohl Fleischhauer sein ganzes Leben der Leichtathletik unterordnete, gelang ihm erst im letzten Winter der ganz große Durchbruch – allerdings im Bobsport. Im Interview verrät der Weltmeister die Gründe seines heutigen Erfolges und spricht über die Faktoren, die wichtig sind, um weitere Siege nach Hause zu bringen. 

Herr Fleischhauer, früher waren Sie in der Leichtathletik unterwegs. Heute schieben Sie Bobschlitten an. Worin unterscheiden sich für Sie die Sportarten? Wo ähneln sie sich? 

Georg Fleischhauer: Die Sportarten unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Umgebungsbedingungen. In der Leichtathletik hatte ich im Zweifel 30 °C und Sonne im Sommer. Und beim Bob muss ich auch bei kältesten Temperaturen und Schnee meinen Job machen und mich irgendwo auf einem Parkplatz warmlaufen. Die Gemeinsamkeiten liegen für mich in der Herangehensweise: Insbesondere bei den 110 Meter Hürden musst du mit Vollgas und ohne Zögern auf die erste Hürde zulaufen, auch wenn du deinen Blick erst zwei bis drei Schritte vorher darauf richtest. Beim Anschieben gibst du auch einfach fünf bis sechs Sekunden alles und springst dann in den Schlitten.

Ein Unterschied ist, dass Sie schon heute im Bobsport erfolgreicher sind als Sie es jemals in der Leichtathletik waren. Woran liegt das?  

Fleischhauer: Ich denke, ich mache jetzt das, wofür ich körperlich am besten geeignet bin. Im Grunde war ich beispielsweise für die 400 Meter Hürden nie der richtige Mann mit meiner ausgeprägten Muskulatur und meinen für den Ausdauersport teilweise eher bescheidenen Blutwerten. Die Kombination aus Kraft und Schnelligkeit im Bobsport passt einfach und ich mache jetzt im Training eigentlich nur noch die Dinge, die mir schon immer am meisten Spaß gemacht haben: schnelle und kurze Läufe, Krafttraining, Sprünge und eben das Anschieben. Mein Vorteil ist außerdem, dass ich den Sport noch nicht so lange mache und dementsprechend etwas frischer und weniger ‚verschlissen‘ bin als andere, die vielleicht jünger sind, aber das Ganze schon fünf Jahre länger machen.

Seit 2022 gehören Sie in Potsdam zur Trainingsgruppe von Bob-Ikone Kevin Kuske. Der scheint einen großen Anteil an Ihrer Leistungsexplosion zu haben. Oder ist es die starke Konkurrenz im eigenen Verein, die Sie antreibt?  

Fleischhauer: Mit Kevin habe ich den perfekten Trainer an meiner Seite. Einer, der sehr viel aus eigener Erfahrung mitgeben kann. Er ist jemand, der gut einschätzen kann, was ich individuell an Training brauche und es an meine individuellen Stärken anpasst. Und er ist einer, der das Ganze auch noch im fortgeschrittenen Athletenalter gemacht hat. Er weiß, wie man da an der ein oder anderen Stelle gegebenenfalls anders trainieren muss. Die Trainingsgruppe hier in Potsdam ist aber auch sehr motivierend. An keinem anderen Stützpunkt im Bob gibt es so viele Kadersportler und das merkt man auch an den Leistungen. Wir treiben uns gegenseitig an und unterstützen uns, auch wenn wir im Winter als Konkurrenten in verschiedenen Schlitten sitzen. Die Altersunterschiede sind mit einer Spanne von bis zu 16 Jahren recht groß in unserer Trainingsgruppe. Aber das ist eher belebend und eigentlich profitieren alle gegenseitig voneinander.

Im Bobsport mitzumischen, hieß für Sie auch, nach Potsdam zu kommen. Haben Sie Ihren Lebensmittelpunkt komplett in die Landeshauptstadt Brandenburgs verlegt?  

Fleischhauer: Nach der letzten Saison war mir klar, dass ich aus Berlin nach Potsdam ziehen werde, um einfach noch professioneller auf die Olympischen Spiele 2026 hinarbeiten zu können. Dank der Unterstützung von Kevin und der ProPotsdam habe ich auch eine schöne Wohnung im Potsdamer Norden gefunden. Hier wohne ich seit diesem Monat offiziell. Ich lebe mich noch ein, aber es gefällt mir bereits jetzt sehr gut.

Als Anschieber von Johannes Lochner wurden Sie Anfang des Jahres in St. Moritz Weltmeister im Zweierbob. Außerdem haben Sie mit ihm den Gesamt-Weltcup im Zweier gewonnen. Werden Sie auch im kommenden Winter mit ihm an den Start gehen? 

Fleischhauer: Im Anschluss an die überaus erfolgreiche Saison hat „Hansi“ bekanntgegeben, dass er weitermachen und nicht wie ursprünglich geplant, seine Karriere nach der Saison beenden wird. Das hat mich natürlich sehr gefreut. Wir verstehen uns sowohl in der Bobbahn als auch daneben sehr gut. Die Chemie passt einfach, auch im Team allgemein. Es ist eine gute Mischung aus professionellem Arbeiten und gleichzeitig Spaß bei der ganzen Sache haben. Ich glaube, das ist es, was das Bobteam Lochner ausmacht. Eine sehr gute Freundin hat letztens gesagt, wir zwei hätten uns ‚nicht gesucht, aber gefunden‘. Und ich fand das überaus treffend, weil es bei uns sehr harmonisch zugeht. Ich kam letztes Jahr relativ spontan neu ins Team und es gab keine großen Erwartungen. Aber nach dem Sieg im ersten Zweier-Weltcup zusammen in Lake Placid war es bei uns so, als wäre der Knoten endlich nach langen Jahren ohne internationale Erfolge – bei mir – und ständige zweite Plätze – bei ihm – geplatzt. Ab dem Zeitpunkt haben wir einfach jedes Rennen im Zweierbob gewonnen, woran wir in der kommenden Saison anknüpfen wollen. Parallel wollen wir im Vierer auch weiter vorn landen.

Parallel zu Ihrer Laufbahn als Leichtathlet haben Sie auch an Ihrer beruflichen Karriere neben dem Sport gefeilt. Sie haben vor einigen Jahren Ihren Master im Wirtschaftsingenieurwesen gemacht und anschließend auch bei einer führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft gearbeitet. Lässt sich der Sport bei Ihnen aktuell noch mit dem Beruf vereinbaren? Wenn ja, dann wie?

Fleischhauer: Seit 2016 arbeite ich in Teilzeit und habe das parallel zum Sport immer gut hinbekommen. Aber das musste ich auch, damit ich den Sport überhaupt finanzieren kann. Seit dem letzten Winter ist das Ganze etwas schwieriger geworden. Es kommen häufiger spontane Termine neben dem Training rein. Dadurch wird es teilweise schwierig, meine Stunden im Job zu schaffen. Ich werde in Richtung Cortina 2026 etwas verändern müssen, damit meine sportliche Leistung nicht unter der Doppelbelastung leidet. Wahrscheinlich werde ich meine Teilzeit verringern oder unbezahlte Auszeiten nehmen, um mich besser auf den Sport und die Regeneration konzentrieren zu können. Das wiederum müsste ich über neue Sponsoren finanziell abfedern.

Inzwischen hat die Vorbereitung auf die neue Bob-Saison begonnen. Wie sieht der Zeitplan Ihrer Vorbereitung aus?  

Fleischhauer: Die Vorbereitung läuft bei mir seit Anfang März, also schon stolze fünf Monate. Wir haben jetzt noch einmal eine Woche Ruhe, bevor wir Mitte August ins Trainingslager nach Mallorca fliegen. Dort startet die letzte Phase der Vorbereitung. Am 22. September und am 21. Oktober stehen die wichtigen nationalen Anschubtests in Magdeburg und Oberhof an, worauf wir uns alle erst einmal primär vorbereiten. Dort möchte ich mich natürlich wieder bestmöglich positionieren, bevor es Anfang November zum ersten Weltcup nach China auf die Olympiabahn von 2022 geht und die Saison offiziell startet.

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Foto: Georg Fleischhauer hat sich zu einem Top-Anschieber im Bobsport gemausert (Quelle: Kathleen Friedrich/www.kathleen-friedrich.de)

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